Urteilsanzeige GmbH

18.04.2005

BGH Az (II ZR 151/03) Link zur Originalentscheidung

Kapitalerhöhung: Kein Recht auf Übernahme einer Kleinstbeteiligung für Alt-Gesellschafter / Anfechtbarkeit / Anfechtungsfrist

Wurde dem Gesellschafter einer - personalistisch strukturierten - GmbH bei einer Kapitalerhöhung im Anschluß an eine vereinfachte Kapitalherabsetzung auf Null ein gesetzeskonformes, seiner bisherigen Beteiligung entsprechendes Bezugsrecht eingeräumt, so gebietet die Treupflicht der Gesellschaftermehrheit - anders als bei der Aktiengesellschaft - nicht ohne weiteres, diesem durch Änderung der Beteiligungsverhältnisse statt dessen die Übernahme einer von ihm gewünschten Kleinstbeteiligung (hier: 0,2 % des erhöhten Stammkapitals) einzuräumen.

Die Verletzung der Treupflicht im Zusammenhang mit der Ausgestaltung des Bezugsrechts des Minderheitsgesellschafters einer GmbH führt auch bei der Kapitalerhöhung im Anschluß an eine vereinfachte Kapitalherabsetzung auf Null regelmäßig nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Anfechtbarkeit des Gesellschafterbeschlusses.

Der Gesellschafter einer GmbH muß die Beschlußanfechtungsklage mit aller ihm im Interesse der Schaffung von Rechtssicherheit zumutbaren Beschleunigung erheben, wobei die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG - von eng begrenzten Ausnahmen abgesehen - als Maßstab zu gelten hat. (Leitsätze BGH)

Tatbestand (frei):
Auf der Gesellschafterversammlung am 13.12.01 der beklagten GmbH wird im Rahmen der Euroumstellung (die ja für sich schon etlichen Ärger geboten hat) eine vereinfachte Kapitalherabsetzung auf Null mit anschließender Euroumstellung und Kapitalerhöhung beschlossen. Hierbei möchte ein - durch einen mit privatschriftlicher Vollmacht ausgewiesenen RA vertretener - Minderheitsgesellschafter (Kläger) nur einen Mindestanteil übernehmen, was zu einer Verschiebung der Beteiligungsuoten geführt hätte.
Die Mehrheit lehnt dies ab und beschließt die Kapitalveränderung wie geplant, ohne den Kläger hierbei zu berücksichtigen.
Der Kläger meint die Beschlüsse seien wegen der Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treupflicht nichtig, hilfsweise will er die Annahme seines "Angebotes" auf Übernahme des geringeren Anteils. Eine Anfechtung der Beschglüsse erfolgt durch Klage am 22.01.2002, also (knapp) über einen Monat später.

Aus den Gründen:
Der Beschluß der Gesellschafterversammlung der Beklagten über die Nichtzulassung des Klägers zur Übernahme eines neuen Geschäftsanteils von 1.000,00 € ist - selbst wenn darin ein Gesetzesverstoß wegen Verletzung einer der Gesellschaftermehrheit gegenüber dem Kläger als Minderheitsgesellschafter
etwa bestehenden Treupflicht im Hinblick auf die Ausgestaltung des Bezugsrechts liegen sollte - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht analog § 241 Nr. 3 AktG nichtig, sondern allenfalls wegen Gesetzesverstoßes entsprechend § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar; gleiches gilt für den Folgebeschluß über die Satzungsänderung hinsichtlich der Beteiligungsverhältnisse.
Danach ist die vom Kläger erhobene Klage als Anfechtungsklage - wovon das Berufungsgericht
insoweit zu Recht ausgegangen ist - mit den entsprechenden Hauptanträgen zu 1 b und 1 c jedenfalls analog § 246 Abs. 1 AktG verfristet und damit als unbegründet abzuweisen.

1. Eine mit der Nichtigkeitsklage angreifbare Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses über die Ablehnung der Übernahme eines Gesellschaftsanteils von 1.000,00 € durch den Kläger ergibt sich - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht daraus, daß diese Verweigerung einem gesetzwidrigen partiellen Bezugsrechtsausschluß gleichsteht.
a) Es ist bereits zweifelhaft, ob hier überhaupt von einer rechtswidrigen partiellen Bezugsrechtsverweigerung auszugehen ist. Das Bezugsrecht aus der Kapitalerhöhung richtet sich auch bei der GmbH - unabhängig von der Streitfrage, ob es ein (ungeschriebenes) gesetzliches Recht analog § 186 AktG darstellt oder auf dem (freilich inhaltlich gebundenen) Zulassungsbeschluß nach § 55
Abs. 2 GmbHG beruht - nach der Beteiligung des Gesellschafters am ursprünglichen Kapital; dies gilt auch bei der Erhöhung im Anschluß an eine vereinfachte Kapitalherabsetzung. Ein solches gesetzeskonformes Bezugsrecht ist dem Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
anläßlich der Beschlußfassung über die Kapitalerhöhung auf 500.000,00 € entsprechend Nr. II der Tischvorlage im Rahmen der Bildung der drei neuen Geschäftsanteile in Höhe von 30.750,00 € eingeräumt worden; dadurch wurde auch ihm die Möglichkeit des "Verbleibs" in der Gesellschaft eröffnet.
Zu mehr oder zu weniger war die Beklagte bzw. waren die Mitgesellschafter von Gesetzes wegen jedenfalls grundsätzlich nicht verpflichtet, also im Ansatz auch nicht zur Ermöglichung der Übernahme einer anderen, die Beteiligungsverhältnisse verändernden "Kleinstbeteiligung". Soweit das Oberlandesgericht unter Hinweis auf die Senatsentscheidung vom 5. Juli 1999 (II ZR 126/98, BGHZ 142, 167 - Hilgers) und auf Stimmen in der Literatur (Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG 17. Aufl. § 58 a Rdn. 23; ihm offenbar folgend Scholz/Priester, GmbHG 9. Aufl. § 58 a Rdn. 40) meint, die der Gesellschaftermehrheit obliegende Treupflicht gebiete eine Zulassung der partiellen Ausübung des Bezugsrechts oder zumindest eine Gestaltung und Bemessung der Kapitalerhöhung in der Weise, daß die Minderheit die größtmögliche Chance der Beteiligung - etwa zu einem Mindestbetrag des Geschäftsanteils von 50,00 € (vgl. § 58 a Abs. 3 Satz 2 GmbHG) - habe, beruht dies auf einer
den Besonderheiten einer personalistisch strukturierten GmbH, wie sie hier besteht, nicht hinreichend Rechnung tragenden Übertragung aktienrechtlicher Grundsätze auf das GmbH-Recht. Die Situation in einer Aktiengesellschaft, bei der durch die Form der Ausgestaltung der Stückelung der Aktien anläßlich der Kapitalerhöhung im Anschluß an eine vereinfachte Kapitalherabsetzung eine
große Anzahl von Kleinaktionären aus der Gesellschaft ohne einen - nicht zumutbaren oder sogar nicht möglichen - Zukauf von Bezugsrechten ausscheiden müßte, ist auf die personalistisch strukturierte GmbH zumindest nicht ohne weiteres übertragbar;
bei einer solchen GmbH ist vielmehr grundsätzlich auf ein Bestehenbleiben der bisherigen Beteiligungsverhältnisse bei der Kapitalerhöhung gerade auch im Verfahren nach § 58 a Abs. 4 GmbHG Bedacht zu nehmen;
zudem stehen - anders als bei der Aktiengesellschaft - nicht etwa diverse Anteile nach Wahl eines jeden Gesellschafters zur Übernahme bei der Kapitalerhöhung zur Verfügung, sondern jeder Gesellschafter darf gemäß § 55 Abs. 4 GmbHG wie bei der Gründung (§ 5 Abs. 2 GmbHG) nicht mehrere Stammeinlagen, sondern nur eine - bei der regulären Kapitalerhöhung eine weitere - übernehmen.
Bestehen danach schon im Ansatz Bedenken gegen eine undifferenzierte Übernahme aktienrechtlicher Grundsätze, so ist hier die Fallkonstellation insoweit anders, als der Kläger - aus im übrigen nicht näher dargelegten Gründen - eine Beteiligung am bisherigen Umfang nicht übernehmen, sondern sich
statt dessen lediglich mit einer "Kleinstbeteiligung" von 0,2 % an der gebotenen Sanierung der Beklagten beteiligen wollte.
Das wirft die Frage auf, ob unter diesen Umständen die Verweigerung der Zulassung des Klägers zur Übernahme einer ihm passenden Kleinstbeteiligung abweichend von seiner bisherigen Beteiligungsquote
treuwidrig ist oder ob - was vom Berufungsgericht nicht geprüft worden ist - nicht eher die vom Kläger beabsichtigte Teilausübung seines Bezugsrechts unter Treupflichtaspekten zumindest der Rechtfertigung bedürfte.

b) Diese Fragen bedürfen hier keiner abschließenden Entscheidung durch den Senat. Denn sogar ein rechtswidriger vollständiger Bezugsrechtsausschluß anläßlich einer Kapitalerhöhung hat nur die Anfechtbarkeit des zugrundeliegenden Beschlusses wegen Gesetzesverletzung i.S. von § 243
Abs. 1 AktG zur Folge.
Für die besondere Konstellation der Kapitalerhöhung im Anschluß an eine vereinfachte Kapitalherabsetzung auf Null gilt - wie der Senat bereits entschieden hat - auch bei einem durch
treupflichtwidrige Ausgestaltung des Bezugsrechts bedingten Eingriff in das Mitgliedschaftsrecht
des betreffenden Gesellschafters nichts anderes. Die Einhaltung der Treupflicht gehört nach der ständigen Senatsrechtsprechung nicht zu den tragenden Strukturprinzipien des Aktien- und GmbH-Rechts; ihre Verletzung führt daher - selbst bei gravierenden Eingriffen in die Rechtsstellung des betreffenden Gesellschafters - regelmäßig nur zur Anfechtbarkeit des Gesellschafterbeschlusses.

Eine davon abweichende Entscheidung ist für den vorliegenden Fall, daß die Gesellschaftermehrheit im Anschluß an ein gesetzeskonform ausgestaltetes, aber vom Kläger abgelehntes Bezugsrecht nicht bereit ist, diesem durch Änderung der Beteiligungsverhältnisse die von ihm gewünschte Kleinstbeteiligung (0,2% des erhöhten Stammkapitals) einzuräumen, nicht veranlaßt.

2. Der mit dem Klageantrag zu 1 c angegriffene Beschluß über die Änderung des § 3 der Satzung der Beklagten hinsichtlich der Aufteilung des erhöhten Stammkapitals unter den - nach Ablehnung einer Beteiligung des Klägers mit 1.000,00 € - verbleibenden Mitgesellschaftern ist als "deklaratorischer" Folgebeschluß ebenfalls nicht nichtig, sondern allenfalls anfechtbar.

3. Als Anfechtungsklage analog § 243 Abs. 1 AktG ist die Klage des Klägers - wovon schon das Oberlandesgericht insoweit zutreffend ausgegangen ist und was der Senat selbst feststellen kann - mit den beiden Hauptanträgen 1 b und 1 c verfristet i.S. des § 246 Abs. 1 AktG und damit unbegründet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats muß die Klage auf Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses mit aller dem klagenden Gesellschafter zumutbaren Beschleunigung erhoben werden, wobei die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG - von eng begrenzten Ausnahmen abgesehen - als Maßstab gilt. Wird diese Frist überschritten, kommt es darauf an, ob zwingende Umstände den Gesellschafter an einer früheren klageweisen Geltendmachung des Anfechtungsgrundes gehindert haben.

Der einmonatige Regelzeitraum des § 246 Abs. 1 AktG seit der Beschlußfassung am 13. Dezember 2001 war bei Einreichung der Klage erst am 22. Januar 2002 bereits überschritten, ohne daß nach der Senatsrechtsprechung zwingende Rechtfertigungsgründe für diese Verspätung ersichtlich wären.
Die vom Kläger vorgebrachte Tatsache, daß die Gesellschafterversammlung einige Zeit vor Weihnachten stattgefunden hat, rechtfertigt die Regelfristüberschreitung ebensowenig wie der Umstand, daß angeblich eine Sachbesprechung des Klägers mit seinem damaligen Anwalt und späteren Prozeßbevollmächtigten, Rechtsanwalt M., erst Anfang Januar 2002 bzw. nach Erhalt des notariellen Protokolls der Gesellschafterversammlung stattgefunden hat. Rechtsanwalt M., der den Kläger in der Gesellschafterversammlung vertreten hat, war genauestens über die Vorgänge informiert. Er hat bereits auf der Gesellschafterversammlung selbst Anfechtungsklage angekündigt; die Verhandlungsniederschrift wurde den Erschienenen in Gegenwart des Notars vorgelesen, von ihnen genehmigt und von ihnen sowie dem Notar jeweils eigenhändig unterschrieben.
Danach hätte die Anfechtungsklage bei der dem Kläger im Interesse der Schaffung von Rechtssicherheit zumutbaren Beschleunigung innerhalb der Regelfrist des § 246 AktG erhoben werden können und müssen.

Inwiefern, wie der Kläger vorträgt, vor Einreichung der Klage in bezug auf die Streitgegenstände bilanzielle Fragen zu klären gewesen wären, insoweit das Prozeßrisiko mit einem Wirtschaftsprüfer hätte erörtert werden müssen und dies erst unter dem 15. Januar 2002 hätte geschehen können, hat der Kläger trotz des erheblichen Bestreitens der Beklagten nicht näher substantiiert und unter
Beweis gestellt.

III. Auch über den Hilfsantrag (Antrag 2) zum Hauptbegehren 1 b der Klage, den das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - nicht beschieden hat, hatte der Senat wegen Endentscheidungsreife in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dieses Hilfsbegehren auf Annahme des Angebots des Klägers, vom neu gebildeten Stammkapital von 500.000,00 € einen Anteil von 1.000,00 € zu übernehmen, ist bereits deshalb unbegründet, weil mit der Abweisung des vorrangig beschiedenen Hauptantrags 1 b feststeht, daß der Beschluß über die Nichtzulassung des Klägers zu
der begehrten Übernahme eines Geschäftsanteils von 1.000,00 € bestandskräftig geworden ist. Es kommt deswegen nicht entscheidend darauf an, daß der Kläger bislang kein - annahmefähiges - förmlich wirksames Übernahmeangebot i.S. des § 55 Abs. 1 GmbHG abgegeben hat; Rechtsanwalt M., der den Kläger in der Gesellschafterversammlung vertrat, hatte ausweislich seiner eigenen, im Versammlungsprotokoll festgehaltenen Erklärung nur eine - insoweit unzureichende - privatschriftliche, nicht notariell beglaubigte Vollmacht.

Anmerkung:

Zwar ist die Sache formell an der Versäumung der Anfechtungsfrist gescheitert, letztlich hat sich der Senat aber auch mit der materiell-rechtlichen Frage eines Kleinstbezugsrechtes auseinandergesetzt und einen solchen - landläufig vertreten - Anspruch abgelehnt.

Tragend ist die Überlegung, dass die entsprechenden aktienrechtlichen Grundsätze nicht 1:1 auf eine typischerweise personaliserte GmbH übertragen werden können. Grundsätzlich ist bei allen Kapitalveränderungen die Beteiligungsquote aller Gesellschafter gleich zu behalten.

Ansonsten wäre der Beschluss anfechtbar gewsen, hier hätte aber die Monatsfrist eingehalten werden müssen. Die angebotenen Erklärungen für die Fristüberschreitung (Weihnachten, RA-Besprechung und WP-Besprechung) zogen nicht; insbesondere weil der RA den Kläger bereits in der Gesellschaftsversammlung vertreten hatte und so ja über alles informiert war.

Letztlich hat sich der Senat einen (weiteren) Seitenhieb (da nicht entscheidungserheblich) auf den Kläger-RA nicht verkneifen können: Dieser habe in der Gesellschafterversammlung - mangels notariell beglaubigter Vollmacht - kein wirksames Angebot zur Übernahme eines Geschäftsanteils abgeben können.

 


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